Die Geburt der Emilia oder der Hinweis von der Honigmann-Frau

Die Geburt der Emilia oder der Hinweis von der Honigmann-Frau

»Meditierend lasse ich mich voll und ganz auf jedes neue Werk ein. Dabei entsteht eine Fülle an Ideen, die schlussendlich zu einer Einheit verdichtet wird. So bildet sich die Basis für mein endgültig zu schaffendes Werk«,

sagt der hessische Bildhauer Johannes Klüber (37 Jahre) über seine Schaffenskraft.

 

Seine letzte Inspiration führte ihn nach Italien.

 

Durch die Initiative des Freundeskreis Italien e.V., inbesondere durch die Unterstützung des evangelischen Gemeinde-Pfarrers Ander-Molnàr aus Dipperz (Nähe Fulda), reiste der Bildhauer Klüber auf Einladung der Unione Montana Acquacheta in die verschwisterte norditalienische Partnerregion der Gemeinde Hofbieber.

Hier beeindruckte ihn im Juni 2009 das Kloster Monastero della SS. Annunziata in Tredozio (1.300 Einw.) in der Emilia Romagna. Das Kloster aus dem Jahre 1060, in dem ihm Skorpione begegneten, ihn die mittelalterliche Architektur beeindruckte, die Natur ihn ringsherum berührte, begegnete er sich selbst: »Hier möchte ich arbeiten.«, war seine spontane Reaktion. Gesagt. Getan. Innerhalb von 3 Tagen hatte Klüber vom amtierenden Bürgermeister Luigi Marchi sowie Ex-Bürgermeister Pierluigi Versari aus Tredozio eine mündliche Zusage per Handschlag. Im März 2010 zog er mit seiner Frau Nicol (37) und seinen drei Kindern Anna (6), Greta Sofie (4) und Julius (2) für  viereinhalb Monate nach Tredozio. Es war die letzte Möglichkeit mit der ganzen Familie so lange von zu Hause fern zu bleiben. Anna (6) wurde am 16. August 2010 in Hofbieber  eingeschult. Ausgestattet mit Leihgaben der italienischen Gemeinde (Werkbank, 1 Stuhl, 1 Deckenlampe, 1 Strahler) - Requisiten aus der letzten Krippenausstellung - und kostenlosem Strom vom Nachbarn, plante Klüber einen Sockel für sein Kunstwerk »GEBORGEN« zu gestalten.

 

Mit Hilfe von Othello (60), Rentner aus Tredozio, entdeckte Klüber das Castagneto di Bolognese.

Ein historisches Waldstück aus Kastanienbäumen. Kastanien sind für ihre Größe, Stärke und Langlebigkeit (1.000 Jahre und mehr) bekannt. Klüber war verzaubert. Schon für die Kelten stand die Kastanie für Redlichkeit, Gerechtigkeit und Uneitelkeit. Das massive Holzstück für den Sockelbau war schnell gefunden. Klüber aber wollte mehr. Er folgte seiner Intuition. Etwas wartete auf seine Bestimmung. Die Ideen schossen wie ein Feuerwerk durch seinen Kopf. Das Ergebnis verdichtete Klüber und gestaltete ein Modell aus Plastelin. Er machte Fotos davon und ging zum Bürgermeister.

Mit Pierluigi Versari, dem Ex-Bürgermeister von Tredozio, sprach er über sein neues Vorhaben. Er war auf der Suche nach etwas Einzigartigem. Einem »Stück Holz«, das für seine neue Konzeptidee geeignet war. Der Bürgermeister rührte die Werbetrommel im Dorf.

Es war die FRAU VOM HONIGMANN, die genau wusste, wo das »Stück Holz« liegt, das Klüber suchte. Viele Kilometer fuhren sie mit dem Auto und über 40 Minuten Fußmarsch durch den Kastanienwald bis sie an der Stelle kamen, die die Frau vom Honigmann, Maria Magdalena, beschrieben hatte. Es war ein gewaltiges Stück totes Holz, das vor ihnen lag. Knapp 1m 50 Stammmaß, über  280 Jahre alt. Täglich fuhr Klüber nun an die Stelle wo sein künftig zu schaffendes Werk lag. Mit

allen Sinnen musste er jetzt dabei sein. Es war eine gefährliche Arbeit, denn der Baumstamm lag in einer steilen Lage und es musste kopfüber bearbeitet werden.

Nach tagelanger Schufterei war das künftige Kunstwerk gelüftet und konnte geborgen werden. Mit Muskelkraft von vier starken Männern und einem 26 Jahre alten allradbetriebenen FIAT Panda von Luigi Bassetti, einem Kommunalmitarbeiter, wurde das Werk federnd ins Kloster transportiert. Dort arbeitete Klüber die nächsten Wochen bis das Kunstwerk Ende Juli 2010 beendet war. Mit einer Ausstellung in Verbindung mit der »Inaugurazione ex chiesa Manasteroo SS« (Inauguration

einer restaurierten Kapelle) wurde das Kunstwerk erstmalig einer Öffentlichkeit am 23. Juli 2010 vorgestellt.

Engel

Die Menschen waren begeistert. Es war ein besonderer Höhepunkt, den Klüber nie vergessen wird. Der Aufenthalt in Italien näherte sich aber seinem Ende. Die Koffer mussten wieder gepackt werden. Mit einem Straßenzug verabschiedeten sich die Einwohner von Tredozio von ihrem Künstler und neuem Freund aus Deutschland.

 

Übrigens: Die Emilia Skulptur in Kastanienholz ist für Klüber unverkäuflich; es wurde jedoch in der Bildgiesserei Noack, Berlin ein Bronzeguss gefertigt, der erworben werden kann.

 

Über Johannes Klüber

Aufmerksam geworden war man auf Klüber bereits mit seinen freien Projekten »GEBORGEN« und »ÄRMELLOS«, auf der Arte Sotto I Portici in Forli (Italien) sowie auf der Art East in Vittel (Frankreich). Der Aufstieg in die Superklasse mit der Einladung zur Art en Capital in das Grand Palais, Paris vom 23. – 28. November 2010 ist für Klüber eine besondere Freude, die ihn zu weiteren Projekten motiviert. Es handelt sich um die bedeutendste Veranstaltung der unabhängigen Kunstszene in Frankreich, die jährlich rund 2.000 Künstler aus der ganzen Welt versammelt.

 

Johannes Klüber hatte in 1998 die väterliche Holzbildhauerwerkstatt in Hofbieber/Fulda (Hessen) übernommen und arbeitet seitdem überwiegend für Kirchen der Region, aber auch für Firmen und Privatleute. Mehr unter: http://www.johannes-klueber.de